Screeningtool Wasserwirtschaft

Methodenentwicklung zur Bestimmung der Klimarobustheit und Klimawirkung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen

Um adäquat auf bereits eingetretene Klimafolgen zu reagieren (reaktive Anpassung) bzw. rechtzeitig auf zukünftig zu erwartende, aber unsichere Entwicklungen des Klimasystems vorbereitet zu sein (proaktive Anpassung), sollten wasserwirtschaftliche Maßnahmen entsprechend untersucht und ggfs. angepasst oder verändert werden. Eine solche Überprüfung einer Maßnahme gewährleistet, dass sie nach wie vor und unter veränderten Bedingungen ihr eigentliches Ziel, z. B. die Reduzierung des Nährstoffeintrags in die Gewässer oder Hochwasserrückhalt, erfüllen kann.

Daher sollten einerseits existierende wasserwirtschaftliche Maßnahmen (z.B. aus dem ersten WRRL-Zyklus) überprüft und ggfs. angepasst werden. Andererseits sind bei der Neuplanung von Maßnahmen die zeitliche Dimension und die Unsicherheit von Projektionen zu potentiellen Klimaveränderungen zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck wird das "Screeningtool Wasserwirtschaft" eine strukturierte Liste ("Checklist") von Fragenkomplexen und Indikatoren zur Verfügung stellen. So können mit Hilfe des Screeningtools existierende und sich in der Konzeptions- oder Planungsphase befindliche (Einzel-)Maßnahmen überprüft ("screenen") werden, um eine erste Einschätzung zur Klimarobustheit der Maßnahme(n) gegenüber zu erwartenden klimatischen Veränderungen (regional eingrenzbar), und zu ihrem Beitrag zum Klimawandel treffen zu können.

Das "Screeningtool Wasserwirtschaft" ist nicht darauf angelegt, die allgemeine Funktionalität einer generischen wasserwirtschaftlichen Maßnahme in Bezug auf ihre generelle Zielerreichung zu prüfen, sondern zielt auf eine praktikable, anwenderorientierte Überprüfung der Funktionalität der Maßnahme unter den für Deutschland (bzw. für eine Region) projizierten zukünftigen klimatischen Veränderungen.

Das Screeningtool zielt primär auf eine Anwendung auf der Ebene der Maßnahmenumsetzenden Behörde/Planungsbehörde (lokale oder zuständige Landesbehörden), bzw. auf eine Anwendung auf der Ebene einer generischen oder spezifischen (also konkret geplanten) Einzelmaßnahme (im Gegensatz zu einem Maßnahmenprogramm o. ä.). Eine Aggregation von Ergebnissen und/oder Maßnahmen bei der Bestimmung der Klimarobustheit ist aus fachlicher Sicht fraglich. Dabei kann die Veränderung von Nebennutzen (Sekundärnutzen wie z.B. die positiven Auswirkungen einer renaturierten Flussaue auf den Tourismus) einer Maßnahme aufgrund der hohen Komplexität dieses Themas ebenfalls nicht in die Prüfung einfließen.

Aufgrund der geforderten hohen Praktikabilität des Screeningtools, und dem expliziten Arbeitsauftrag, ein Tool zum "Screenen", also zur oberflächlichen Überprüfung von Maßnahmen, zu entwickeln, kann das Screeningtool andere Verfahren zur Folgenabschätzung (z. B. UVP/SUP, KNA etc.) nicht ersetzen. Das Screeningtool bildet aufgrund dessen keine "harte" Entscheidungsgrundlage zur Umsetzung/Nicht-Umsetzung einer Maßnahme, sondern ermöglicht eine ergänzende Prüfung der Tauglichkeit - im Hinblick auf den Klimawandel - einer wasserwirtschaftlichen Maßnahme. Das Screeningtool stellt somit kein Ausschlusskriterium bei der Maßnahmenauswahl dar, sondern dient als zusätzlicher Prüfungsschritt, mit dem eine Reflexion der Auswirkungen des Klimawandels auf die Maßnahme angeregt wird.

Grundsätzlich orientiert sich das Tool am CIS-Leitfaden der Europäischen Kommission, und umfasst im Wesentlichen zwei Bereiche ("Prüfbereiche"), die die Gliederung des Screeningtools bzw. den Ablauf des Screening-Prozesses darstellen:

  • Prüfbereich 1: Prüfung der Klimarobustheit.
  • Prüfbereich 2: Prüfung der Auswirkungen der Maßnahme auf den Klimawandel.

Unter jedem der beiden Prüfbereiche sind verschiedene Fragen aufgeführt, die die Anwenderinnen und Anwender in jedem Prüfschritt zu einem konkreten Ergebnis führen/leiten. Die Prüffragen ergeben sich einerseits aus der Ausschreibung des Vorhabens, einer Literaturrecherche, dem CIS-Leitfaden, dem Projekt WASKlim, den UBA KomPass-Arbeiten zur Bewertung von Anpassungsmaßnahmen, den in Interviews ermittelten Wünschen und Erwartungen potentieller Nutzer sowie den Diskussionen und Abstimmungen im Forschungsbegleitkreis (FBK) zu diesem Vorhaben.

Die Prüfbereiche und Fragenkomplexe sind:

PrüfbereichFragenkomplexAnmerkung
KlimarobustheitKriterium 1:
Relevanz der Maßnahme
Dieser Fragenkomplex prüft, ob die Maßnahme unter veränderten klimatischen Bedingungen überhaupt noch relevant ist.
Fragenkomplex 2:
Wirksamkeit der Maßnahme
Dieser Fragenkomplex prüft, wie sich die Wirksamkeit der Maßnahme unter veränderten klimatischen Bedingungen verändert.
Fragenkomplex 3:
Flexibilität und Reversibilität der Maßnahme
Dieser Fragenkomplex prüft, inwieweit die Maßnahme flexibel und an veränderte klimatische Bedingungen anpassbar ist.
Fragenkomplex 4:
Wechselwirkungen
Mit diesem Fragenkomplex soll untersucht werden ob sich die Maßnahme zukünftig positiv oder negativ auf andere Ökosysteme bzw. die Tätigkeiten in wasserwirtschaftlich relevanten Sektoren auswirkt
Auswirkungen auf den KlimawandelFragenkomplex 5:
Verschärfung des Klimawandels
Mit diesem Fragenkomplex soll untersucht werden, ob die Maßnahme den Klimawandel verschärft, d. h. zur Freisetzung zusätzlicher Treibhausgase führt.

Die Anwendung des Screeningtools

Rufen Sie die Website https://screeningtool.fresh-thoughts.eu/ auf (falls Sie es nicht schon getan haben), und wählen Sie "Login" (oben rechts). Sie haben nun die Möglichkeit, sich mit einem existierenden Account einzuloggen, oder neu zu registrieren.

Der eigentlichen Bewertung der zu überprüfenden Maßnahme vorgeschaltet ist ein einführender "Vorschritt", der die späteren Bewertungen erleichtert und - bei ausreichender Datenverfügbarkeit - auf die spezifischen, regionalen Klimaprojektionen zuschneidet. Der Vorschritt wird über ein Pop-Up-Fenster ausgeführt, direkt nachdem Sie "Neuen Fragebogen erstellen" gewählt haben.

Der Vorschritt besteht dabei aus drei Teilen. In einem ersten Schritt soll festgestellt werden, ob eine Überprüfung der Maßnahme im Hinblick auf ihre Klimarobustheit überhaupt sinnvoll ist (z.B. mag dies bei Maßnahmen, die auf Bildung, "Awareness Raising" und "Capacity Building" abzielen, nicht der Fall sein, da sie per se nicht von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind).

Andere Maßnahmen mögen nur von kurzer Lebensdauer sein und so dass während der Laufzeit der Maßnahme noch keine über die heutige Situation hinausgehende Auswirkungen des Klimawandels eintreten. Eine Anwendung des Tools ist deshalb bei kurzfristigen Maßnahmen nicht zwingend nötig; es ist festzuhalten, dass die Anwendung des Tools an Bedeutung gewinnt, je langlebiger die Maßnahme ist.

Ebenfalls wird im ersten Schritt Name, Typ (generische oder spezifische Maßnahme, Kennnummern, falls vorhanden) und Kurzbeschreibung der geprüften Maßnahme sowie ihr Planungsstand eingetragen.

Im zweiten Teil des Vorschritts sollen zum einen regionsspezifische bzw. die aktuellsten Klimaprojektionen identifiziert und als Grundlage für die weitere Bewertung festgelegt werden. Sollten für eine Region unterschiedliche und/oder widersprüchliche Projektionen vorliegen, dann ist dies in den Unsicherheiten klar zu dokumentiern. Ebenso ist der Zeitraum der Projektionen anzugeben. Es besteht auch die Möglichkeit zwischen Winter und Sommer zu unterscheiden.

Dafür wird dem Bearbeiter/der Bearbeiterin eine Reihe von Quellen aufgezeigt (jeweils mit einer kurzen Erläuterung des Inhaltes), die den während der Bearbeitung des Projektes aktuellen Forschungsstand repräsentieren. Der Bearbeiter/die Bearbeiterin sollte eine kurze Recherche nach möglicherweise aktuelleren und/oder regionsspezifischen Klimaprojektionen durchführen.

Falls im Anwendungsgebiet Empfehlungen zur Nutzung von Projektionen existieren (z.B. auf Ebene der Bundesländer), sollten diese von den ausführenden Stellen für die Bewertung im Screeningtool angewendet werden.

Anhand dieser Projektionen erstellt der Bearbeiter/die Bearbeiterin eine Liste der in der Region zu erwartenden klimatischen Veränderungen. Es wird als nicht sinnvoll erachtet, diese in schwer zu fassenden Einheiten - wie "+1 Grad Zunahme der Lufttemperatur" - darzustellen. Stattdessen werden die physischen Auswirkungen in eine Reihe von Klimafolgen "übersetzt", die im Screeningtool über ein Drop-Down-Menü ausgewählt werden:

  • Häufigere Dürreereignisse,
  • Vermehrte/stärkere Binnenhochwasser,
  • Vermehrte Starkregenfälle,
  • Vermehrtes Niedrigwasser,
  • Veränderung der Lufttemperatur/ Gewässertemperatur,
  • Vermehrte Sturmfluten,
  • Änderungen im Grundwasserspiegel/-neubildung (inkl. Grundwasserüberflutungen),
  • Veränderungen der mittleren Abflüsse,
  • Saisonale Verschiebungen der Niederschläge über das Jahr (insb. Zunahme im Winter, Abnahme im Sommer),
  • Anstieg des Meeresspiegels.

Die ausgewählten (bzw. ausgeschlossenen) Klimafolgen werden dann im Laufe des Screenings berücksichtigt (bzw. nicht mehr berücksichtigt), um sowohl die Bearbeitung als auch die spätere Ergebnisdarstellung in Form eines Balkendiagramms einfacher und übersichtlicher zu gestalten.

Im dritten und letzten Schritt ist der Bearbeiter/die Bearbeiterin angehalten, die für die Anwendung des Screeningtools wichtigen Annahmen und Erkenntnisse in einem Kommentarfeld (Freitext) anzumerken. Zu den im besten Fall zu notierenden Punkten gehören:

  • Dokumentation, wie der/die BearbeiterIn mit der Thematik "Klimaprojektion und Zeithorizont der Maßnahme" umgegangen ist. Hierbei geht es um die Lebensdauer von Maßnahmen. Kurzfristige Maßnahmen können zu einem Zeitpunkt abgeschlossen sein, an dem der Klimawandel noch keine signifikanten über die heute bekannten Auswirkungen hinaus zeigt. In einem solchen Fall kann die Anwendung des Screeningtools nicht notwendig sein, oder auf einer theoretischen Ebene erfolgen (z.B. unter der Annahme, die Maßnahme werde in mittlerer Zukunft umgesetzt). Im Freitextfeld sollte erläutert werden, ob diese Fragestellung eine Rolle gespielt hat, und wie ggfs. damit umgegangen worden ist.
  • Welche Klimaprojektionen (Quellen) genutzt wurden (inklusive Projektionshorizont, Weblinks etc.).

Weiter Informationen und detaillierte Hinweise zum Screeningtool finden sich in der Handlungsanleitung.